August 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
was soll ich sagen?!
Es ist Mitte Juli, als ich diese Zeilen schreibe. Es sind nur
noch wenige Tage bis zu den Sommerferien. Auch für mich heißt das: Es
dauert nicht mehr lange und mein Urlaub beginnt.
Für mich ist das immer eine Gelegenheit einmal einen kleinen
„Zwischenstop“ einzulegen. Was war eigentlich in dem vergangenen halben
Jahr? Was ist alles passiert?
Wenn ich durch meinen Kalender gehe, dann finde ich neben all
den Alltäglichkeiten viele schöne Dinge, die immer noch nachklingen:
viele Gottesdienste mit Taufen, die Einführung des neuen
Kirchengemeinderates, den Konfirmandensamtag im Haus Billtal und zwei
große Konfirmationen, viel Musik in Gottesdiensten und in Konzerten,
darunter auch das Kindermusical Israel in Ägypten mit den tanzenden
Fröschen und dem traurig-schönen Lied von der toten Kuh Babette, oder
Kirchberg goes Tonteich mit den Sambaklängen, die das Publikum zum
Tanzen brachten (selbst meine tanzunbegabten Füße begannen plötzlich
mit rhythmischen Bewegungen). Ich finde im Kalender die Termine für
Kikilino wie die Gottesdienste in der Kita jetzt heißen, den Termin mit
den Architekten für die Wärmedämmung im Pastorat und − noch gar nicht
so lange her − ich fi nde Anmeldetermine: für unsere Wittenbergreise
(64 Anmeldungen!!) und für unseren neuen Konfirmandenkurs, zu dem sich
35 (!!) neue Konfirmandinnen und Konfirmanden gemeldet haben.
Und nun also Urlaubszeit. Und was soll ich sagen?! Ich freue
mich darauf! Meine Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub ist ebenso
groß wie die Freude, die mich zum Teil beim Lesen der Termine des
vergangenen halben Jahres überkommt. Dabei sieht meine gedankliche
„Urlaubs - To Do - Liste“ ungefähr so aus:
- drei Wochen lang ausruhen
- neue Ecken der Welt entdecken
- neue Eindrücke und vielleicht Ideen sammeln
- die Seele baumeln lassen
- alte Freunde besuchen
- zu kurz gekommene Hobbies wieder aufleben lassen
- usw., usw.
Aber dann lese ich in einem Online Magazin die Überschrift: Endlich Ferien. Zehn Irrtümer über die
Urlaubszeit. Zu den Urlaubsirrtümern gehören unter anderem
folgende Dinge: Vor dem Urlaub muss alles abgearbeitet werden! Das
Beste am Urlaub ist die Erholung! Urlaub macht glücklich!
Urlaubsmitbringsel sind Kitsch. Wer diese Dinge ernsthaft glaubt, irrt,
so der Artikel.
Ich stelle fest, dass ich tatsächlich einigen dieser und
anderer Irrtümer erlegen bin. Glücklicherweise gibt es in dem Artikel
aber auch Hinweise, wie sich diese umgehen und beheben lassen. Aber
nach dem Lesen komme ich ins Nachdenken und beschließe eine neue
„Urlaubs - To Do - Liste“ zu erstellen:
- drei Wochen lang ausruhen
- neue Ecken der Welt entdecken
- neue Eindrücke und Ideen sammeln
- die Seele baumeln lassen
- alte Freunde besuchen
- zu kurz gekommene Hobbies wieder aufleben lassen
und ganz wichtig
- keine Urlaubsratschläge befolgen, sondern einfach tun,
wonach mir der Sinn steht!
- usw., usw.
Ich wünsche Ihnen eine schöne Ferien- und Sommerzeit.
Ihr Pastor
René Enzenauer
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Juli 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
wenn Du nach einem langen Tag
nach Hause kommst und wenn Du
dann wie jeden Abend erzählst, dass in der Firma wieder alles chaotisch
ist, dass die Chefetage keine Ahnung hat und dass die Kunden einen in
den Wahnsinn treiben, …
wenn Du regelmäßig jammerst, weil der Zahn links oben wieder weh tut
und Du immer noch nicht beim Zahnarzt warst, …
wenn Du im Sommer in den Urlaub fahren möchtest, Du aber keine Lust
hast, Flüge und Hotel zu buchen, …
wenn Du krank bist oder traurig und alles Leid der Welt gefühlt nur auf
deinen Schultern lastet, …
wenn Du von allem mal die Nase voll hast und Du einfach deine Ruhe
willst, …
wenn Du durch und durch verzweifelt bist und einfach nicht mehr weiter
weißt, …
wenn Du ständig was vergisst, was durcheinanderbringst und tausend
kleine Fehler machst,
wenn die Zahnpastatube bei Dir immer off en liegen bleibt und wenn Du
den Zucker nicht findest,
der im Schrank direkt vor deinen Augen steht, …
… und wenn dann jemand da ist,
… der Dir jeden Abend geduldig zuhört,
… der Dir wortlos ein Kühlpack reicht,
… der sich stundenlang vor den Computer setzt und die schönste
Urlaubsroute plant,
… der Dich tröstet, pflegt und bei Dir ist,
… der Dich in Ruhe lässt, wenn Du deine Ruhe brauchst,
… der Dir sagt: „Wir kriegen das schon hin!“,
… der Dich an alles Wichtige erinnert und deine Fehler erträgt,
… der die Zahnpasta regelmäßig verschließt und Dir mit einem Lächeln
den Zucker gibt, …
Und wenn Du am Sonntag in den Gottesdienst gehst und die
kopierten Liederzettel reichen nicht, …
wenn in der Einladung für das Ehrenamtsfest ein falsches Datum steht, …
wenn vielleicht das eine oder andere in der Gemeinde anders läuft, als
Du es Dir wünscht, …
wenn Du feststellst, dass dein Nachbar in der Kirchenbank ganz anders
glaubt und lebt als Du,
und wenn Dich vielleicht auch manche Predigt stört und Dir so manches
Lied zu alt ist,
und wenn Du dann mit deiner Nachbarin in einen Liederzettel schauen
kannst,
… wenn dann der Fehler mit dem Datum Nebensache wird, weil es ja
eigentlich um etwas anderes
geht,
… und wenn Du trotzdem mitmachst und gestaltest, damit auch deine
Wünsche in Erfüllung gehen,
… und wenn Du deinem Nachbarn seinen Glauben lassen und vielleicht auch
davon lernen kannst,
… und wenn so manche störende Predigt und manch unmodernes Lied jemand
anderem gefallen
kann, …
… wenn das alles passiert, dann weißt Du: Das muss Liebe sein.
Und dann ahnst Du, was dahinter steckt, wenn Paulus an die
Gemeinde in Philippi schreibt:
Und ich bete darum, dass eure Liebe
immer noch reicher werde an Erkenntnis und
aller Erfahrung. (Philipper 1,9)
Einen schönen Juli wünscht Ihr Pastor
René Enzenauer
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Juni 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
„Wir
sehen uns am Samstag um 10 Uhr im Haus Billtal.“ Mit diesem Satz ging
die letzte wöchentliche Konfirmandenstunde vor den Konfirmationen zu
Ende. Die Reaktionen der Konfis reichten von: „Was machen wir im
Billtal?“ bis zu einem schockierten: „Um 10???!!! Da schlafe ich noch!“
Aber Gott sei Dank gibt es ja Wecker. Und so waren dann auch
alle
da: 23 Konfis, viele Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims, das
Team des Hauses rund um Leiterin Frau Pahl und ehrenamtliche
Helferinnen.
Und jetzt klärte sich auch die „Was machen wir?“-Frage: Wir
bildeten
Teams mit selbstgewählten klangvollen Namen wie „Die coolen Sechs“ oder
„Die Generationen-Gang“, natürlich gemischt aus Konfis und Senioren.
Und dann ging es auf die Wettkampfstrecke, auf der die Teams
gegeneinander antraten um Punkte zu sammeln. Insgesamt zehn Stationen
standen bereit, an denen man wunderbare Dinge beobachten konnte.
Eine Station war das Pedalo-Fahren, einmal den Flur hin und
wieder
zurück - möglichst ohne abzusetzen. Wer es mal versucht hat, weiß, dass
das keine Kleinigkeit ist. Gedacht war diese Station eigentlich für die
sportlichen Konfis, aber es zeigte sich einmal mehr, dass man Senioren
auf keinen Fall unterschätzen sollte … Gleiches gilt übrigens auch für
das Spiel mit dem Hula Hoop Reifen. Auch mit 90 kann man noch
minutenlang die Hüften kreisen lassen.
Man konnte sehen wie sich Konfis und Senioren gegenseitig
anfeuerten
und einander auf die Schulter klopften, wenn etwas gelungen war. Man
konnte erleben wie sich die Einen mit der Hilfe der Anderen etwas
zutrauten, was sie allein nicht versucht hätten. Man konnte den Applaus
hören, wenn Senioren und Konfis es Seite an Seite geschafft hatten, den
„Heißen Draht“ mit ruhiger Hand zu bewältigen.
Man konnte beobachten, was es heißt Gemeinde zu sein: eine
Gemeinschaft verschiedener Menschen, Alte und Junge, die beseelt ist
von einem gemeinsamen Ziel, von einer gemeinsamen „Mitte“. Man konnte
erleben, wie sehr die Stärken des Einzelnen die Gemeinschaft als Ganze
bereichern. Man konnte sehen, welche Kraft daraus wachsen kann,
einander zu unterstützen und wertzuschätzen. Und man konnte die
Erfahrung machen, auch die vermeintlichen Schwächen des Anderen zu
akzeptieren, den anderen so zu nehmen, wie er bzw. wie sie ist.
So ergab sich an diesem Samstag im Haus Billtal fast wie von
selbst das, was Paulus an die Korinther schreibt:
Es sind verschiedene Gaben; aber es
ist
ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es
sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles
allem. (1 Kor. 12,4ff.)
Am Ende dieses Tages im Haus Billtal saßen die Konfis und ich
dann
noch einmal zusammen. Es war die Abschlussrunde, mit dem Rückblick auf
diesen Tag und auf die Konfi-zeit und mit dem Satz: „Wir sehen uns
dann: zu eurer Konfirmation.“
Ihr Pastor
René Enzenauer
PS: Einen ganz herzlichen Dank für diesen Tag an Marita Pahl
und das
Team des Hauses Billtal, an die Teamer von Interact Bergedorf, an Frau
Vollmer und Frau Berling.
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Mai 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
fünf Kühe, neun Kälber, acht
Schweine, zwei Sauen, drei Ferkel, eine Ziege und zwei Zicklein.
300 Gulden für Fleisch, 200 Gulden für Bier, 50 Gulden für
Brot. Dazu ein Fischteich und Gemüsebeete, ein Weingarten und sogar
eine eigene Brauerei.
Was beim ersten Lesen wirkt wie der Bestand und Umsatz eines
kleinen Bauernhofes, ist nichts anderes als der Hausstand des
Professors der Theologie und des Predigers Martin Luther. Sein Haushalt
gehörte zum Üppigsten, was Wittenberg zu seiner Zeit zu bieten hatte.
Kein Wunder, denn bei Martin und Käthe saßen nicht nur ihre
sechs Kinder mit am Tisch, sondern zusätzlich „eine wunderlich
gemischte Schar aus jungen Leuten, Studenten, jungen Mädchen, Witwen,
alten Frauen und Kindern, weshalb große Unruhe im Hause ist,
derentwegen viele Luther bedauern.“ Wenn bei Luthers gekocht wurde,
dann für 20 bis 50 Personen. Man saß zusammen, man aß und man hörte dem
Meister beim Reden zu.
Luthers Tischreden waren so beliebt, dass seine Frau Katharina
es in Betracht zog, Eintritt dafür zu nehmen − zumal dann, wenn man
sich seine Worte auch noch notieren wollte.
Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.
So lautet der Monatsspruch für den Mai aus dem Kolosserbrief.
Als der Schreiber diesen Satz schrieb, da dachte er an die Menschen,
die noch nichts von Christus gehört hatten. Seid freundlich und gnädig
zu ihnen, fordert er, aber macht ihnen die gute Nachricht von der Liebe
Gottes zu den Menschen auch schmackhaft. Redet so, dass sie euch gerne
zuhören.
Nun ja, Dr. Luther und die Freundlichkeit, das ist so eine
Sache. Der ihm zugeschriebene Satz „Alles Übel erwächst daraus, dass
ein Weib nicht kochen kann.“, spricht nicht gerade für sein Feingefühl.
Aber wenn er über Gott redete, dann konnte er von der Liebe und
Geborgenheit des Menschen in Gottes Händen reden wie kein Zweiter: Und
wenn die Welt voll Teufel wär‘… Wenn Luthers Rede etwas war, dann „mit
Salz gewürzt“. Das, was er glaubte und worauf er vertraute, das konnte
er so in Worte fassen und so weitergeben, dass es seine Zuhörer und
Leser berührte − bis heute übrigens.
Wenn Sie Lust haben, sich auch berühren zu lassen von Luthers
Worten und von der Welt in der er lebte, dann fahren sie mit: Am 4. und
5. November soll es bei einem Gemeindeausflug in die Lutherstadt
Wittenberg gehen. Auf dem Programm stehen das Lutherhaus, die
Schlosskirche, eine Stadtführung durch Wittenberg und natürlich das
gemeinsame Essen und Trinken. Seien Sie dabei.
Ihr Pastor
René Enzenauer
PS: Auf die Eintrittsforderungen seiner Frau soll Luther
geantwortet haben: „Ich habe dreißig Jahre gratis gelehrt und
gepredigt. Warum sollte ich jetzt, da ich alt und schwach bin, damit
Handel anfangen? Der Doktor ist kein theologischer Schankwirt!“
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April 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
„wichtig
➔ Schuhe aus!“ So stand es auf dem Plakat, das vor uns hing. Und so
ähnlich war es wohl auch damals, als Mose vor dem brennenden Dornbusch
stand, und als Gott mit ihm redete:
„Zieh deine Schuhe von deinen
Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land.“ (2. Mose 3,5)
Wer vor Gott treten will, der muss barfuß gehen.
Der Ort, an dem wir unsere Schuhe ausziehen sollten, war
allerdings
nicht das Heilige Land, sondern nur die Tür zu einem Zimmer in einem
Schullandheim. Dahinter tat sich aber trotzdem eine andere kleine Welt
auf.
Alles war dunkel, dank einer großen Decke vor dem Fenster. Der
Raum
war kreuz und quer vollgestellt mit Stühlen, Tischen, Matratzen aus den
Doppelstockbetten und anderem Gerät. Mit verbundenen Augen und auf
Socken musste man sich auf den Weg machen, mitten hinein in die
Dunkelheit. Es gab nur eine Möglichkeit zur Orientierung, nämlich einen
dünnen Wollfaden, der durch das Zimmer gespannt war. Dieser Faden
führte unter Tischen hindurch, über die Matratzen, die plötzlich zu
einem schwankenden Untergrund wurden, und zwischen Stühlen hindurch.
Auf diesen Faden musste man vertrauen.
Dies war eine von mehreren tiefgründigen und kreativen
Stationen,
die die Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Thema: „Beten ist wie…“
gebaut hatten (S. 43, Tag 1). Beten ist wie sich ins Dunkel wagen.
Beten ist wie einen Weg finden. Beten ist wie Vertrauen haben, dass es
einen gangbaren Weg gibt. Stationen wie diese wecken viele
Assoziationen.
In mir weckte das Fadenlabyrinth noch einen anderen Gedanken.
Für
mich ist hier besonders sinnfällig geworden, dass unsere oftmals auf
verworrenen Bahnen verlaufenden Lebenswege nicht um Hindernisse herum,
sondern nur durch sie hindurch führen. Das Schwere im Leben, seien es
Liebeskummer oder Angst vor Klausuren, seien es Krankheit oder Trauer,
es lässt sich − leider − nicht umgehen. Der Weg führt immer nur
hindurch. Und manchmal ist es dabei nur ein „seidener Faden“, an dem
alle Hoffnung hängt.
In diesem Monat feiern wir Ostern. Und damit feiern wir genau
das:
dass es einen Weg gibt, hindurch durch Schwere und durch Dunkelheit.
Und wir feiern, dass es diesen Faden gibt, ausgespannt von einem, der
vorangegangen ist durch tiefste Todesfinsternis. Und ausgespannt für
uns zum Orientieren und zum Festhalten: im Gebet, im Glauben, in
Hoffnung und Liebe. Ihnen allen Gesegnete Ostern!
Ihr Pastor
René Enzenauer
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März 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
kein Eis! Keine Pommes! Keine
Getränke! Rauchen verboten! Und wer ohne gültigen Fahrschein angetroff
en wird, der zahlt mindestens 60 Euro. Ach, und keine Schuhe auf den
Sitzen und die Musik aus dem MP3-Player bitte nicht so laut, damit
andere nicht belästigt werden.
Wer in der großen Stadt oder deren Umkreis mit den öff
entlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, der kennt diese vielen Gebots-
und Verbotsschilder in Bussen, S- und U-Bahnen. Dabei ist es eigentlich
egal, in welcher Stadt man gerade ist: Im Grunde sind überall dieselben
Dinge untersagt oder gefordert.
Geradezu erfrischend anders war es da, einmal in Israel
unterwegs zu sein. Wer dort in einen Bus einstieg, der konnte − bis vor
einiger Zeit jedenfalls − folgenden kleinen Vers lesen:
Vor einem grauen Haupt sollst du
aufstehen…
Dieser Vers steht im 3. Buch Mose, Kapitel 19, und er scheint
natürlich wie geschaff en für die oft übervollen Stadtbusse in
Jerusalem oder Tel Aviv. Vollständig lautet er:
Vor einem grauen Haupt sollst du
aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott,
ich bin der Herr.
Das ist der Monatsspruch für den vor uns liegenden März.
Ich stelle mir vor, dass die Älteren unter Ihnen jetzt
vielleicht kurz überlegen, welche Farbe ihr Haar hat. Vielleicht gibt
es auch Einige, die denken: Ja, genau! Die Jüngeren sollen ruhig mal
Platz machen. Das gehört sich so.
Aber ich, der ich zwar schon ein paar graue Haare habe, aber
wohl immer noch einer von den „Jüngeren“ bin, habe die Erfahrung
gemacht, dass es gar nicht immer so einfach ist, höfl ich sein zu
wollen. Es kam durchaus schon vor, dass „ein graues Haupt“ sagte: „Ach
danke, lassen Sie mal. So alt bin ich noch nicht.“ Wer soll sich da
auskennen?!
Natürlich geht es bei dem Vers aus dem 3. Buch Mose nicht um
das Aufstehen im Bus. Es ist eine Regel für das Zusammenleben von
Menschen. Es geht darum, die Lebensleistung und Lebensweisheit derer
anzuerkennen, die schon mehr Jahre auf diesem Planeten überstanden
haben als man selbst. Es geht um Würde und Würdigung und um Respekt.
Und es geht im weitesten Sinne um Gottesdienst.
Der Vers gehört zu einem Abschnitt der Bibel, den man heute
als „Heiligkeitsgesetz“ bezeichnet. Es regelt das „Zusammenleben“
Gottes mit seinem Volk. Und es regelt das Zusammenleben der Menschen
untereinander. Denn, ob ein Volk heilig ist, also zu Gott gehört, das
zeigt sich eben auch daran, wie man miteinander umgeht. Wer sich also
vor einem grauen Haupt erhebt, der zeigt, dass er sein Gegenüber ehrt,
sich kümmert und für es sorgt. Eben das ist Dienst am Nächsten. Eben
das ist Gottesdienst.
In der Praxis ist das alles aber wahrscheinlich weniger eine
Frage von ausformulierten Ge- und Verboten, die in der Öffentlichkeit
ausgehängt sind. Es ist eine Frage der Haltung, mit der man Anderen
begegnet, sei es nun in Bus und Bahn, in der Gemeinde oder wo auch
immer. Und diese Haltung − diese kleine persönliche Anmerkung sei
erlaubt − steht nicht nur den Jüngeren gegenüber den Älteren gut an:
Respekt und Würdigung sind keine Einbahnstraßen.
Ihr Pastor
René Enzenauer
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Februar 2017
Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,
ich
schreibe diese Zeilen am 12. Januar 2017. Es ist „Tag 1“ nach der
Eröffnung der Elbphilharmonie bzw. der „Elphi“, wie das Prunkstück
ebenso niedlich wie marketingwirksam auch genannt wird.
Vielleicht haben Sie das Spektakel verfolgt. Zur
Eröffnungsfeier gab es
Liveticker und -streams im Internet und geradezu berauschte Kritiken in
Print- und Onlinenachrichten. Die Schlagzeilen reichten von einem
sorgenvollen „Ekel-Wetter in Hamburg. Fällt die Elphi-Eröffnung heute
ins Wasser?“ (Hamburger Morgenpost), über das Gauck-Zitat „Ein Juwel
der Kulturnation Deutschland“, das Spiegel online zur Überschrift
erkoren hatte, hin zu: „Elbphilharmonie eröffnet! Für diese
Musik-Kathedrale bewundert uns die ganze Welt“ (MOPO).
Apropos „Kathedrale“: Angesichts dieser Jubeltöne fand sich
auf der
Internetseite der Nordkirche ein kleiner epd-Artikel, der etwas
verhalten fragte: „Harmonie zweier Wahrzeichen: Macht die Elphi dem
Michel Konkurrenz?“ Darin geht es um die bange Frage, welches der
beiden Gebäude denn nun das neue Wahrzeichen der Stadt Hamburg sei.
Man kann nun einwenden, was für ein einfältiges Problem dies
denn wäre.
Aber ich denke, im Thema des genannten Artikels spiegelt sich eine für
unsere Kirche immer größer werdende Sorge, die sich in diesem Fall an
einem kirchlichen Gebäude herauskristallisiert. Es geht um die Sorge,
nicht mehr wahrgenommen zu werden, keine Rolle mehr zu spielen im Leben
der Städte und Dörfer. Letztlich geht es vielleicht sogar um die Frage
danach, woran die Menschen ihr Herz hängen. So wird denn auch der
emeritierte Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen mit den Worten zitiert:
„Der Michel ist Hamburg − in den Herzen der Menschen, die hier leben.“
So gesehen geht es mit dem Michel nicht mehr einfach nur um ein
Bauwerk. Damit verbunden geht es um Bedeutung und Bedeutungsverlust von
Kirche.
Angesichts der aktuellen Diskussionen um kirchliche Gebäude
ist dieses
Thema alles andere als banal. Auch in unserem Kirchenkreis wird derzeit
erhoben, welche Gebäude in den Gemeinden vorhanden sind, wie sie
genutzt und ausgelastet sind, was Unterhaltung und Sanierung kostet und
welche Bedeutung sie im Stadt- und Dorfl eben insgesamt haben. Es ist
der Versuch, möglichst fair Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen
und dann zu entscheiden, welche Gebäude seitens des Kirchenkreises noch
mitfi nanziert werden. Am Ende dieses Monats werden die Ergebnisse in
einem Workshop zur Diskussion gestellt. Es wird ganz sicher viel
diskutiert werden …
Was sich in solchen Erhebungen aber nur schwer abbilden lässt,
ist die
Verbundenheit der Menschen mit ihren Kirchen. „Hier wurde ich getauft,
konfirmiert und auch getraut.“ Solche und ähnliche Sätze höre ich immer
wieder über unsere Wohltorfer Kirche. Darin wird deutlich, dass Kirchen
eben mehr sind als einfache Gebäude, mehr als „nur“ ein Dach über dem
Kopf. Sie sind Orte, in denen sich Lebensgeschichten abspielen,
Beziehungsorte, Orte voller persönlicher Erinnerungen und − nicht
zuletzt − Orte, an denen Menschen öff entlich und für jede und jeden
zugänglich zusammenkommen können um Gottesdienst zu feiern.
Auch uns und den neuen Kirchengemeinderat wird dieses Thema in
diesem
Jahr beschäftigen. Die Kirchenmauer muss endlich saniert werden, die
Sakristei renoviert, das Pastorat gedämmt, die Wasserschäden im Keller
des Gemeindehauses beseitigt. Es gibt viele kleine und große
Baustellen. Wir müssen sie zusammen angehen. Damit unsere Kirche im
Dorf bleibt.
Ihr Pastor
René Enzenauer
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Januar 2017
Liebe Gemeinde in Wohltorf und im Krabbenkamp,
die Sektkorken haben geknallt
und die Böller auch. Und Raketen
malten bunte Lichter in den Mitternachtshimmel:
„Prost Neujahr.“ Willkommen im Jahr 2017!
Ein neues Jahr bedeutet einen neuen Anfang und dem wohnt ja
bekanntlich immer auch „ein Zauber inne“. Anders jedenfalls könnte ich
mir die jahreswechselbedingte hohe Dichte von guten Vorsätzen nicht
erklären: mehr Sport, mehr Entspannung, mehr Zeit mit der Familie, sich
mehr ehrenamtlich engagieren oder − gerade nach Weihnachten immer sehr
beliebt − abnehmen. Ich weiß, wovon ich schreibe…
Ich glaube, dahinter steckt die leise Hoffnung, dass das neue
Jahr
auch etwas Neues bringen möge, etwas, das besser ist als die Lasten und
die Laster des alten Jahres. Aus solchen guten Vorsätzen und aus dem
Zauber eines neuen Anfangs sprechen Wünsche nach einem gesünderen und
besseren Leben und manchmal auch nach einer besseren Welt.
Nur leider gibt es einen Haken: das Jahr ist neu, aber wir
sind die
alten! Denn anders als ein Jahr das andere ablöst, ändern wir uns nicht
von einem Tag auf den anderen. Und so verflüchtigen sich die guten
Vorsätze und die leisen kleinen und großen Hoff nungen nur all zu
schnell. Sie gehen unter im Alten und scheitern an unseren allzu
menschlichen Grenzen.
Vor einem ähnlichen Dilemma stand auch der Prophet Ezechiel, aus dessen
Buch die Jahreslosung für 2017 stammt. Jerusalem und der Tempel waren
zerstört. Und ein großer Teil der Bevölkerung war ins Exil verschleppt.
Aus Sicht Ezechiels war das nichts weniger als eine Strafe Gottes.
Aber seine Unheilsworte sollten nicht seine letzten Worte
sein.
Ezechiel verkündete dem Volk Israel einen neuen Anfang. Was zerstört
war, sollte wieder aufgebaut werden. Und all den Menschen, die ins Exil
geführt worden waren, verhieß er die Rückkehr in ihre Heimat.
Auch hier geht es um einen neuen Start und einen neuen Anfang −
allerdings auch mit den gleichen „alten“ Menschen, die eben noch Gottes
Strafe erfahren hatten!
Was also tun? Eine wirkliche Veränderung muss her.
Gott spricht:
„Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.‟
(Ez 36,26)
In der Bibel ist das Herz das Organ, mit dem der Mensch
denkt. Und
der Geist ist der numinose Teil in uns, der uns Menschen bei unseren
Taten leitet. Er ist Antrieb und Orientierung für unser Leben. Er ist
das, was uns bewegt. Beides muss neu werden, damit ein neuer Anfang
gelingen kann. Es braucht eine Änderung unseres Sinnes, die wir, so
Ezechiel, nicht selbst in den Händen halten. Wir bekommen sie von Gott
geschenkt.
Ich denke, das ist herausfordernd und ermutigend zugleich:
herausfordernd, weil uns nichts bleibt, als auf dieses Geschenk Gottes
zu vertrauen. Das ist vielleicht etwas ernüchternd und nicht immer
einfach auszuhalten. Für ermutigend halte ich es aber dennoch, weil es
Gott selbst ist, der für das neue Herz und den neuen Geist in uns bürgt
und der uns von der Last befreit, immer alles selbst machen und
bewirken zu müssen.
Angesichts des Zaubers eines neuen Anfangs zu Beginn eines
neuen
Jahres, könnte der Vers aus dem Ezechielbuch nicht passender sein: sei
es nun für unsere Kirchengemeinde mit ihrem neu gewähltem
Kirchengemeinderat, mit vielen schönen Ideen, mit so manchem guten
Vorsatz und mit einer langen Liste von zu bewältigenden Aufgaben. Oder
sei es für die Welt um uns herum, in der so viele Fragen und Probleme
davon abhängen, wie Menschen über sich und über andere Menschen denken.
Also starten wir mit „Prost Neujahr!“ und mit dem Vertrauen
auf ein
Geschenk: Gott spricht: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen
neuen Geist in euch.‟
Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes neues Jahr.
Ihr Pastor
René Enzenauer
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