Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

so oder so ähnlich beginnen die Gemeindebriefe.

Auch die alten Briefe können Sie hier noch einmal lesen.
Gemeindebriefe 12/2003 und 2004, Gemeindebriefe 2005, Gemeindebriefe 2006, Gemeindebriefe 2007, Gemeindebriefe 2008, Gemeindebriefe 2009, Gemeindebriefe 2010, Gemeindebriefe 2011, Gemeindebriefe 2012, Gemeindebriefe 2013, Gemeindebriefe 2014, Gemeindebriefe 2015, Gemeindebriefe 2016
01/2017, 02/2017, 03/2017, 04/2017, 05/2017, 06/2017, 07/2017, 08/2017,


August 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauerwas soll ich sagen?!

Es ist Mitte Juli, als ich diese Zeilen schreibe. Es sind nur noch wenige Tage bis zu den Sommerferien. Auch für mich heißt das: Es dauert nicht mehr lange und mein Urlaub beginnt.

Für mich ist das immer eine Gelegenheit einmal einen kleinen „Zwischenstop“ einzulegen. Was war eigentlich in dem vergangenen halben Jahr? Was ist alles passiert?

Wenn ich durch meinen Kalender gehe, dann finde ich neben all den Alltäglichkeiten viele schöne Dinge, die immer noch nachklingen: viele Gottesdienste mit Taufen, die Einführung des neuen Kirchengemeinderates, den Konfirmandensamtag im Haus Billtal und zwei große Konfirmationen, viel Musik in Gottesdiensten und in Konzerten, darunter auch das Kindermusical Israel in Ägypten mit den tanzenden Fröschen und dem traurig-schönen Lied von der toten Kuh Babette, oder Kirchberg goes Tonteich mit den Sambaklängen, die das Publikum zum Tanzen brachten (selbst meine tanzunbegabten Füße begannen plötzlich mit rhythmischen Bewegungen). Ich finde im Kalender die Termine für Kikilino wie die Gottesdienste in der Kita jetzt heißen, den Termin mit den Architekten für die Wärmedämmung im Pastorat und − noch gar nicht so lange her − ich fi nde Anmeldetermine: für unsere Wittenbergreise (64 Anmeldungen!!) und für unseren neuen Konfirmandenkurs, zu dem sich 35 (!!) neue Konfirmandinnen und Konfirmanden gemeldet haben.

Und nun also Urlaubszeit. Und was soll ich sagen?! Ich freue mich darauf! Meine Vorfreude auf den bevorstehenden Urlaub ist ebenso groß wie die Freude, die mich zum Teil beim Lesen der Termine des vergangenen halben Jahres überkommt. Dabei sieht meine gedankliche „Urlaubs - To Do - Liste“ ungefähr so aus:

  • drei Wochen lang ausruhen
  • neue Ecken der Welt entdecken
  • neue Eindrücke und vielleicht Ideen sammeln
  • die Seele baumeln lassen
  • alte Freunde besuchen
  • zu kurz gekommene Hobbies wieder aufleben lassen
  • usw., usw.

Aber dann lese ich in einem Online Magazin die Überschrift: Endlich Ferien. Zehn Irrtümer über die Urlaubszeit. Zu den Urlaubsirrtümern gehören unter anderem folgende Dinge: Vor dem Urlaub muss alles abgearbeitet werden! Das Beste am Urlaub ist die Erholung! Urlaub macht glücklich! Urlaubsmitbringsel sind Kitsch. Wer diese Dinge ernsthaft glaubt, irrt, so der Artikel.

Ich stelle fest, dass ich tatsächlich einigen dieser und anderer Irrtümer erlegen bin. Glücklicherweise gibt es in dem Artikel aber auch Hinweise, wie sich diese umgehen und beheben lassen. Aber nach dem Lesen komme ich ins Nachdenken und beschließe eine neue „Urlaubs - To Do - Liste“ zu erstellen:

  • drei Wochen lang ausruhen
  • neue Ecken der Welt entdecken
  • neue Eindrücke und Ideen sammeln
  • die Seele baumeln lassen
  • alte Freunde besuchen
  • zu kurz gekommene Hobbies wieder aufleben lassen

und ganz wichtig

  • keine Urlaubsratschläge befolgen, sondern einfach tun, wonach mir der Sinn steht!
  • usw., usw.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Ferien- und Sommerzeit.

Ihr Pastor

René Enzenauer

nach oben


Juli 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauerwenn Du nach einem langen Tag nach Hause kommst und wenn Du dann wie jeden Abend erzählst, dass in der Firma wieder alles chaotisch ist, dass die Chefetage keine Ahnung hat und dass die Kunden einen in den Wahnsinn treiben, …
wenn Du regelmäßig jammerst, weil der Zahn links oben wieder weh tut und Du immer noch nicht beim Zahnarzt warst, …
wenn Du im Sommer in den Urlaub fahren möchtest, Du aber keine Lust hast, Flüge und Hotel zu buchen, …
wenn Du krank bist oder traurig und alles Leid der Welt gefühlt nur auf deinen Schultern lastet, …
wenn Du von allem mal die Nase voll hast und Du einfach deine Ruhe willst, …
wenn Du durch und durch verzweifelt bist und einfach nicht mehr weiter weißt, …
wenn Du ständig was vergisst, was durcheinanderbringst und tausend kleine Fehler machst, wenn die Zahnpastatube bei Dir immer off en liegen bleibt und wenn Du den Zucker nicht findest, der im Schrank direkt vor deinen Augen steht, …

… und wenn dann jemand da ist,
… der Dir jeden Abend geduldig zuhört,
… der Dir wortlos ein Kühlpack reicht,
… der sich stundenlang vor den Computer setzt und die schönste Urlaubsroute plant,
… der Dich tröstet, pflegt und bei Dir ist,
… der Dich in Ruhe lässt, wenn Du deine Ruhe brauchst,
… der Dir sagt: „Wir kriegen das schon hin!“,
… der Dich an alles Wichtige erinnert und deine Fehler erträgt,
… der die Zahnpasta regelmäßig verschließt und Dir mit einem Lächeln den Zucker gibt, …

Und wenn Du am Sonntag in den Gottesdienst gehst und die kopierten Liederzettel reichen nicht, …
wenn in der Einladung für das Ehrenamtsfest ein falsches Datum steht, …
wenn vielleicht das eine oder andere in der Gemeinde anders läuft, als Du es Dir wünscht, …
wenn Du feststellst, dass dein Nachbar in der Kirchenbank ganz anders glaubt und lebt als Du,
und wenn Dich vielleicht auch manche Predigt stört und Dir so manches Lied zu alt ist,
und wenn Du dann mit deiner Nachbarin in einen Liederzettel schauen kannst,
… wenn dann der Fehler mit dem Datum Nebensache wird, weil es ja eigentlich um etwas anderes geht,
… und wenn Du trotzdem mitmachst und gestaltest, damit auch deine Wünsche in Erfüllung gehen,
… und wenn Du deinem Nachbarn seinen Glauben lassen und vielleicht auch davon lernen kannst,
… und wenn so manche störende Predigt und manch unmodernes Lied jemand anderem gefallen kann, …

… wenn das alles passiert, dann weißt Du: Das muss Liebe sein.

Und dann ahnst Du, was dahinter steckt, wenn Paulus an die Gemeinde in Philippi schreibt:

Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung. (Philipper 1,9)

Einen schönen Juli wünscht Ihr Pastor

René Enzenauer

nach oben


Juni 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauer„Wir sehen uns am Samstag um 10 Uhr im Haus Billtal.“ Mit diesem Satz ging die letzte wöchentliche Konfirmandenstunde vor den Konfirmationen zu Ende. Die Reaktionen der Konfis reichten von: „Was machen wir im Billtal?“ bis zu einem schockierten: „Um 10???!!! Da schlafe ich noch!“

Aber Gott sei Dank gibt es ja Wecker. Und so waren dann auch alle da: 23 Konfis, viele Bewohnerinnen und Bewohner des Seniorenheims, das Team des Hauses rund um Leiterin Frau Pahl und ehrenamtliche Helferinnen.

Und jetzt klärte sich auch die „Was machen wir?“-Frage: Wir bildeten Teams mit selbstgewählten klangvollen Namen wie „Die coolen Sechs“ oder „Die Generationen-Gang“, natürlich gemischt aus Konfis und Senioren. Und dann ging es auf die Wettkampfstrecke, auf der die Teams gegeneinander antraten um Punkte zu sammeln. Insgesamt zehn Stationen standen bereit, an denen man wunderbare Dinge beobachten konnte.

Eine Station war das Pedalo-Fahren, einmal den Flur hin und wieder zurück - möglichst ohne abzusetzen. Wer es mal versucht hat, weiß, dass das keine Kleinigkeit ist. Gedacht war diese Station eigentlich für die sportlichen Konfis, aber es zeigte sich einmal mehr, dass man Senioren auf keinen Fall unterschätzen sollte … Gleiches gilt übrigens auch für das Spiel mit dem Hula Hoop Reifen. Auch mit 90 kann man noch minutenlang die Hüften kreisen lassen.

Man konnte sehen wie sich Konfis und Senioren gegenseitig anfeuerten und einander auf die Schulter klopften, wenn etwas gelungen war. Man konnte erleben wie sich die Einen mit der Hilfe der Anderen etwas zutrauten, was sie allein nicht versucht hätten. Man konnte den Applaus hören, wenn Senioren und Konfis es Seite an Seite geschafft hatten, den „Heißen Draht“ mit ruhiger Hand zu bewältigen.

Man konnte beobachten, was es heißt Gemeinde zu sein: eine Gemeinschaft verschiedener Menschen, Alte und Junge, die beseelt ist von einem gemeinsamen Ziel, von einer gemeinsamen „Mitte“. Man konnte erleben, wie sehr die Stärken des Einzelnen die Gemeinschaft als Ganze bereichern. Man konnte sehen, welche Kraft daraus wachsen kann, einander zu unterstützen und wertzuschätzen. Und man konnte die Erfahrung machen, auch die vermeintlichen Schwächen des Anderen zu akzeptieren, den anderen so zu nehmen, wie er bzw. wie sie ist.

So ergab sich an diesem Samstag im Haus Billtal fast wie von selbst das, was Paulus an die Korinther schreibt:

Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles allem. (1 Kor. 12,4ff.)

Am Ende dieses Tages im Haus Billtal saßen die Konfis und ich dann noch einmal zusammen. Es war die Abschlussrunde, mit dem Rückblick auf diesen Tag und auf die Konfi-zeit und mit dem Satz: „Wir sehen uns dann: zu eurer Konfirmation.“

Ihr Pastor

René Enzenauer

PS: Einen ganz herzlichen Dank für diesen Tag an Marita Pahl und das Team des Hauses Billtal, an die Teamer von Interact Bergedorf, an Frau Vollmer und Frau Berling.

nach oben


Mai 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauerfünf Kühe, neun Kälber, acht Schweine, zwei Sauen, drei Ferkel, eine Ziege und zwei Zicklein.

300 Gulden für Fleisch, 200 Gulden für Bier, 50 Gulden für Brot. Dazu ein Fischteich und Gemüsebeete, ein Weingarten und sogar eine eigene Brauerei.

Was beim ersten Lesen wirkt wie der Bestand und Umsatz eines kleinen Bauernhofes, ist nichts anderes als der Hausstand des Professors der Theologie und des Predigers Martin Luther. Sein Haushalt gehörte zum Üppigsten, was Wittenberg zu seiner Zeit zu bieten hatte.

Kein Wunder, denn bei Martin und Käthe saßen nicht nur ihre sechs Kinder mit am Tisch, sondern zusätzlich „eine wunderlich gemischte Schar aus jungen Leuten, Studenten, jungen Mädchen, Witwen, alten Frauen und Kindern, weshalb große Unruhe im Hause ist, derentwegen viele Luther bedauern.“ Wenn bei Luthers gekocht wurde, dann für 20 bis 50 Personen. Man saß zusammen, man aß und man hörte dem Meister beim Reden zu.

Luthers Tischreden waren so beliebt, dass seine Frau Katharina es in Betracht zog, Eintritt dafür zu nehmen − zumal dann, wenn man sich seine Worte auch noch notieren wollte.

Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt.

So lautet der Monatsspruch für den Mai aus dem Kolosserbrief. Als der Schreiber diesen Satz schrieb, da dachte er an die Menschen, die noch nichts von Christus gehört hatten. Seid freundlich und gnädig zu ihnen, fordert er, aber macht ihnen die gute Nachricht von der Liebe Gottes zu den Menschen auch schmackhaft. Redet so, dass sie euch gerne zuhören.

Nun ja, Dr. Luther und die Freundlichkeit, das ist so eine Sache. Der ihm zugeschriebene Satz „Alles Übel erwächst daraus, dass ein Weib nicht kochen kann.“, spricht nicht gerade für sein Feingefühl. Aber wenn er über Gott redete, dann konnte er von der Liebe und Geborgenheit des Menschen in Gottes Händen reden wie kein Zweiter: Und wenn die Welt voll Teufel wär‘… Wenn Luthers Rede etwas war, dann „mit Salz gewürzt“. Das, was er glaubte und worauf er vertraute, das konnte er so in Worte fassen und so weitergeben, dass es seine Zuhörer und Leser berührte − bis heute übrigens.

Wenn Sie Lust haben, sich auch berühren zu lassen von Luthers Worten und von der Welt in der er lebte, dann fahren sie mit: Am 4. und 5. November soll es bei einem Gemeindeausflug in die Lutherstadt Wittenberg gehen. Auf dem Programm stehen das Lutherhaus, die Schlosskirche, eine Stadtführung durch Wittenberg und natürlich das gemeinsame Essen und Trinken. Seien Sie dabei.

Ihr Pastor

René Enzenauer

PS: Auf die Eintrittsforderungen seiner Frau soll Luther geantwortet haben: „Ich habe dreißig Jahre gratis gelehrt und gepredigt. Warum sollte ich jetzt, da ich alt und schwach bin, damit Handel anfangen? Der Doktor ist kein theologischer Schankwirt!“

nach oben


April 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauer„wichtig ➔ Schuhe aus!“ So stand es auf dem Plakat, das vor uns hing. Und so ähnlich war es wohl auch damals, als Mose vor dem brennenden Dornbusch stand, und als Gott mit ihm redete:

„Zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land.“ (2. Mose 3,5)

Wer vor Gott treten will, der muss barfuß gehen.

Der Ort, an dem wir unsere Schuhe ausziehen sollten, war allerdings nicht das Heilige Land, sondern nur die Tür zu einem Zimmer in einem Schullandheim. Dahinter tat sich aber trotzdem eine andere kleine Welt auf.

Alles war dunkel, dank einer großen Decke vor dem Fenster. Der Raum war kreuz und quer vollgestellt mit Stühlen, Tischen, Matratzen aus den Doppelstockbetten und anderem Gerät. Mit verbundenen Augen und auf Socken musste man sich auf den Weg machen, mitten hinein in die Dunkelheit. Es gab nur eine Möglichkeit zur Orientierung, nämlich einen dünnen Wollfaden, der durch das Zimmer gespannt war. Dieser Faden führte unter Tischen hindurch, über die Matratzen, die plötzlich zu einem schwankenden Untergrund wurden, und zwischen Stühlen hindurch. Auf diesen Faden musste man vertrauen.

Dies war eine von mehreren tiefgründigen und kreativen Stationen, die die Konfirmandinnen und Konfirmanden zum Thema: „Beten ist wie…“ gebaut hatten (S. 43, Tag 1). Beten ist wie sich ins Dunkel wagen. Beten ist wie einen Weg finden. Beten ist wie Vertrauen haben, dass es einen gangbaren Weg gibt. Stationen wie diese wecken viele Assoziationen.

In mir weckte das Fadenlabyrinth noch einen anderen Gedanken. Für mich ist hier besonders sinnfällig geworden, dass unsere oftmals auf verworrenen Bahnen verlaufenden Lebenswege nicht um Hindernisse herum, sondern nur durch sie hindurch führen. Das Schwere im Leben, seien es Liebeskummer oder Angst vor Klausuren, seien es Krankheit oder Trauer, es lässt sich − leider − nicht umgehen. Der Weg führt immer nur hindurch. Und manchmal ist es dabei nur ein „seidener Faden“, an dem alle Hoffnung hängt.

In diesem Monat feiern wir Ostern. Und damit feiern wir genau das: dass es einen Weg gibt, hindurch durch Schwere und durch Dunkelheit. Und wir feiern, dass es diesen Faden gibt, ausgespannt von einem, der vorangegangen ist durch tiefste Todesfinsternis. Und ausgespannt für uns zum Orientieren und zum Festhalten: im Gebet, im Glauben, in Hoffnung und Liebe. Ihnen allen Gesegnete Ostern!

Ihr Pastor
René Enzenauer

nach oben


März 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauerkein Eis! Keine Pommes! Keine Getränke! Rauchen verboten! Und wer ohne gültigen Fahrschein angetroff en wird, der zahlt mindestens 60 Euro. Ach, und keine Schuhe auf den Sitzen und die Musik aus dem MP3-Player bitte nicht so laut, damit andere nicht belästigt werden.

Wer in der großen Stadt oder deren Umkreis mit den öff entlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, der kennt diese vielen Gebots- und Verbotsschilder in Bussen, S- und U-Bahnen. Dabei ist es eigentlich egal, in welcher Stadt man gerade ist: Im Grunde sind überall dieselben Dinge untersagt oder gefordert.

Geradezu erfrischend anders war es da, einmal in Israel unterwegs zu sein. Wer dort in einen Bus einstieg, der konnte − bis vor einiger Zeit jedenfalls − folgenden kleinen Vers lesen:

Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen…

Dieser Vers steht im 3. Buch Mose, Kapitel 19, und er scheint natürlich wie geschaff en für die oft übervollen Stadtbusse in Jerusalem oder Tel Aviv. Vollständig lautet er:

Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott, ich bin der Herr.

Das ist der Monatsspruch für den vor uns liegenden März.

Ich stelle mir vor, dass die Älteren unter Ihnen jetzt vielleicht kurz überlegen, welche Farbe ihr Haar hat. Vielleicht gibt es auch Einige, die denken: Ja, genau! Die Jüngeren sollen ruhig mal Platz machen. Das gehört sich so.

Aber ich, der ich zwar schon ein paar graue Haare habe, aber wohl immer noch einer von den „Jüngeren“ bin, habe die Erfahrung gemacht, dass es gar nicht immer so einfach ist, höfl ich sein zu wollen. Es kam durchaus schon vor, dass „ein graues Haupt“ sagte: „Ach danke, lassen Sie mal. So alt bin ich noch nicht.“ Wer soll sich da auskennen?!

Natürlich geht es bei dem Vers aus dem 3. Buch Mose nicht um das Aufstehen im Bus. Es ist eine Regel für das Zusammenleben von Menschen. Es geht darum, die Lebensleistung und Lebensweisheit derer anzuerkennen, die schon mehr Jahre auf diesem Planeten überstanden haben als man selbst. Es geht um Würde und Würdigung und um Respekt. Und es geht im weitesten Sinne um Gottesdienst.

Der Vers gehört zu einem Abschnitt der Bibel, den man heute als „Heiligkeitsgesetz“ bezeichnet. Es regelt das „Zusammenleben“ Gottes mit seinem Volk. Und es regelt das Zusammenleben der Menschen untereinander. Denn, ob ein Volk heilig ist, also zu Gott gehört, das zeigt sich eben auch daran, wie man miteinander umgeht. Wer sich also vor einem grauen Haupt erhebt, der zeigt, dass er sein Gegenüber ehrt, sich kümmert und für es sorgt. Eben das ist Dienst am Nächsten. Eben das ist Gottesdienst.

In der Praxis ist das alles aber wahrscheinlich weniger eine Frage von ausformulierten Ge- und Verboten, die in der Öffentlichkeit ausgehängt sind. Es ist eine Frage der Haltung, mit der man Anderen begegnet, sei es nun in Bus und Bahn, in der Gemeinde oder wo auch immer. Und diese Haltung − diese kleine persönliche Anmerkung sei erlaubt − steht nicht nur den Jüngeren gegenüber den Älteren gut an: Respekt und Würdigung sind keine Einbahnstraßen.

Ihr Pastor
René Enzenauer

nach oben


Februar 2017

Liebe Wohltorfer,
liebe Krabbenkamper,

Foto: Enzenauerich schreibe diese Zeilen am 12. Januar 2017. Es ist „Tag 1“ nach der Eröffnung der Elbphilharmonie bzw. der „Elphi“, wie das Prunkstück ebenso niedlich wie marketingwirksam auch genannt wird.

Vielleicht haben Sie das Spektakel verfolgt. Zur Eröffnungsfeier gab es Liveticker und -streams im Internet und geradezu berauschte Kritiken in Print- und Onlinenachrichten. Die Schlagzeilen reichten von einem sorgenvollen „Ekel-Wetter in Hamburg. Fällt die Elphi-Eröffnung heute ins Wasser?“ (Hamburger Morgenpost), über das Gauck-Zitat „Ein Juwel der Kulturnation Deutschland“, das Spiegel online zur Überschrift erkoren hatte, hin zu: „Elbphilharmonie eröffnet! Für diese Musik-Kathedrale bewundert uns die ganze Welt“ (MOPO).

Apropos „Kathedrale“: Angesichts dieser Jubeltöne fand sich auf der Internetseite der Nordkirche ein kleiner epd-Artikel, der etwas verhalten fragte: „Harmonie zweier Wahrzeichen: Macht die Elphi dem Michel Konkurrenz?“ Darin geht es um die bange Frage, welches der beiden Gebäude denn nun das neue Wahrzeichen der Stadt Hamburg sei.

Man kann nun einwenden, was für ein einfältiges Problem dies denn wäre. Aber ich denke, im Thema des genannten Artikels spiegelt sich eine für unsere Kirche immer größer werdende Sorge, die sich in diesem Fall an einem kirchlichen Gebäude herauskristallisiert. Es geht um die Sorge, nicht mehr wahrgenommen zu werden, keine Rolle mehr zu spielen im Leben der Städte und Dörfer. Letztlich geht es vielleicht sogar um die Frage danach, woran die Menschen ihr Herz hängen. So wird denn auch der emeritierte Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen mit den Worten zitiert: „Der Michel ist Hamburg − in den Herzen der Menschen, die hier leben.“ So gesehen geht es mit dem Michel nicht mehr einfach nur um ein Bauwerk. Damit verbunden geht es um Bedeutung und Bedeutungsverlust von Kirche.

Angesichts der aktuellen Diskussionen um kirchliche Gebäude ist dieses Thema alles andere als banal. Auch in unserem Kirchenkreis wird derzeit erhoben, welche Gebäude in den Gemeinden vorhanden sind, wie sie genutzt und ausgelastet sind, was Unterhaltung und Sanierung kostet und welche Bedeutung sie im Stadt- und Dorfl eben insgesamt haben. Es ist der Versuch, möglichst fair Kosten und Nutzen gegeneinander abzuwägen und dann zu entscheiden, welche Gebäude seitens des Kirchenkreises noch mitfi nanziert werden. Am Ende dieses Monats werden die Ergebnisse in einem Workshop zur Diskussion gestellt. Es wird ganz sicher viel diskutiert werden …

Was sich in solchen Erhebungen aber nur schwer abbilden lässt, ist die Verbundenheit der Menschen mit ihren Kirchen. „Hier wurde ich getauft, konfirmiert und auch getraut.“ Solche und ähnliche Sätze höre ich immer wieder über unsere Wohltorfer Kirche. Darin wird deutlich, dass Kirchen eben mehr sind als einfache Gebäude, mehr als „nur“ ein Dach über dem Kopf. Sie sind Orte, in denen sich Lebensgeschichten abspielen, Beziehungsorte, Orte voller persönlicher Erinnerungen und − nicht zuletzt − Orte, an denen Menschen öff entlich und für jede und jeden zugänglich zusammenkommen können um Gottesdienst zu feiern.

Auch uns und den neuen Kirchengemeinderat wird dieses Thema in diesem Jahr beschäftigen. Die Kirchenmauer muss endlich saniert werden, die Sakristei renoviert, das Pastorat gedämmt, die Wasserschäden im Keller des Gemeindehauses beseitigt. Es gibt viele kleine und große Baustellen. Wir müssen sie zusammen angehen. Damit unsere Kirche im Dorf bleibt.

Ihr Pastor
René Enzenauer

nach oben


Januar 2017

Liebe Gemeinde in Wohltorf und im Krabbenkamp,

Foto: Enzenauerdie Sektkorken haben geknallt und die Böller auch. Und Raketen malten bunte Lichter in den Mitternachtshimmel:
„Prost Neujahr.“ Willkommen im Jahr 2017!

Ein neues Jahr bedeutet einen neuen Anfang und dem wohnt ja bekanntlich immer auch „ein Zauber inne“. Anders jedenfalls könnte ich mir die jahreswechselbedingte hohe Dichte von guten Vorsätzen nicht erklären: mehr Sport, mehr Entspannung, mehr Zeit mit der Familie, sich mehr ehrenamtlich engagieren oder − gerade nach Weihnachten immer sehr beliebt − abnehmen. Ich weiß, wovon ich schreibe…

Ich glaube, dahinter steckt die leise Hoffnung, dass das neue Jahr auch etwas Neues bringen möge, etwas, das besser ist als die Lasten und die Laster des alten Jahres. Aus solchen guten Vorsätzen und aus dem Zauber eines neuen Anfangs sprechen Wünsche nach einem gesünderen und besseren Leben und manchmal auch nach einer besseren Welt.

Nur leider gibt es einen Haken: das Jahr ist neu, aber wir sind die alten! Denn anders als ein Jahr das andere ablöst, ändern wir uns nicht von einem Tag auf den anderen. Und so verflüchtigen sich die guten Vorsätze und die leisen kleinen und großen Hoff nungen nur all zu schnell. Sie gehen unter im Alten und scheitern an unseren allzu menschlichen Grenzen.
Vor einem ähnlichen Dilemma stand auch der Prophet Ezechiel, aus dessen Buch die Jahreslosung für 2017 stammt. Jerusalem und der Tempel waren zerstört. Und ein großer Teil der Bevölkerung war ins Exil verschleppt. Aus Sicht Ezechiels war das nichts weniger als eine Strafe Gottes.

Aber seine Unheilsworte sollten nicht seine letzten Worte sein. Ezechiel verkündete dem Volk Israel einen neuen Anfang. Was zerstört war, sollte wieder aufgebaut werden. Und all den Menschen, die ins Exil geführt worden waren, verhieß er die Rückkehr in ihre Heimat.
Auch hier geht es um einen neuen Start und einen neuen Anfang − allerdings auch mit den gleichen „alten“ Menschen, die eben noch Gottes Strafe erfahren hatten!
Was also tun? Eine wirkliche Veränderung muss her.

Gott spricht:
„Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.‟
(Ez 36,26)

In der Bibel ist das Herz das Organ, mit dem der Mensch denkt. Und der Geist ist der numinose Teil in uns, der uns Menschen bei unseren Taten leitet. Er ist Antrieb und Orientierung für unser Leben. Er ist das, was uns bewegt. Beides muss neu werden, damit ein neuer Anfang gelingen kann. Es braucht eine Änderung unseres Sinnes, die wir, so Ezechiel, nicht selbst in den Händen halten. Wir bekommen sie von Gott geschenkt.

Ich denke, das ist herausfordernd und ermutigend zugleich: herausfordernd, weil uns nichts bleibt, als auf dieses Geschenk Gottes zu vertrauen. Das ist vielleicht etwas ernüchternd und nicht immer einfach auszuhalten. Für ermutigend halte ich es aber dennoch, weil es Gott selbst ist, der für das neue Herz und den neuen Geist in uns bürgt und der uns von der Last befreit, immer alles selbst machen und bewirken zu müssen.

Angesichts des Zaubers eines neuen Anfangs zu Beginn eines neuen Jahres, könnte der Vers aus dem Ezechielbuch nicht passender sein: sei es nun für unsere Kirchengemeinde mit ihrem neu gewähltem Kirchengemeinderat, mit vielen schönen Ideen, mit so manchem guten Vorsatz und mit einer langen Liste von zu bewältigenden Aufgaben. Oder sei es für die Welt um uns herum, in der so viele Fragen und Probleme davon abhängen, wie Menschen über sich und über andere Menschen denken.

Also starten wir mit „Prost Neujahr!“ und mit dem Vertrauen auf ein Geschenk: Gott spricht: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch.‟

Ihnen allen wünsche ich ein gesegnetes neues Jahr.

Ihr Pastor

René Enzenauer

nach oben